Details zum Unfall von Fugu
Verfasst: 29 Jun 2008 20:32
Hallo Biker aus dem ZXR Forum,
ich möchte euch für eure Anteilnahme am Tod meines Bruders von Herzen danken. Ich antworte auf die Frage eines Forum Schreibers, der 'Warum?' fragt. Die simple Antwort lautet: zu schnell gewesen. Der Polizist am Unfallort konnte anhand der Bremsspuren keinen sonstigen Fahrfehler erkennen. Es gab keine Fremdbeteiligung. Ich muß das Folgende loswerden, weil ich denke, daß auf diese Weise noch irgendetwas Nützliches aus dem Geschehenen gezogen werden kann.
Um bei der korrekten Reihenfolge der Geschehnisse zu bleiben: Meinen Bruder, der 26 Jahre alt wurde, habe ich zuletzt letzten Mittwoch gesprochen. Ich war mit meiner neuverheirateten Frau am Gardasee und habe Fugu (er heißt René) abends um 19:30 angerufen, um ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Vielleicht zwei Wochen vorher hatte mir René noch erzählt (zu meiner Erleichterung), daß er seine Maschine vielleicht verkaufen wolle. Es wurde ihm einfach zu gefährlich, er wolle sich den Kick in Zukunft über ein Wakeboard holen. Das würde ihm super Spaß machen und man könne höchstens ins Wasser fallen. Ich wußte an jenem Abend nicht, daß ich die letzte Person sein würde, mit der er in seinem Leben gesprochen hat. Ich hab mir das Fußballspiel angesehen (Deutschland-Türkei) und wurde nächsten Morgen vom Telefon geweckt. Der kurze Satz meines Vaters: 'René ist letzten Abend mit dem Motorrad tödlich verunglückt' hat bewirkt, daß ich erstarrt bin vor Ohnmacht und Leid. Man kann kaum noch atmen und im Kopf startet ein Karusell von Gedanken. Wir sind sofort abgereist und über den Gotthard heimgefahren.
An einer Raststätte angehalten hatte ich das Gefühl, daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Die Trauer zieht sämtliche Energie ab. Ich hab sowas noch nie im Leben erlebt. Kein Vergleich zum Tod meines altgewordenen Großvaters. Der kleine Bruder, zu dem ich so einen engen Draht hatte, mit dem ich soviel gelacht hab (The Big Lebowski war unser Kultfilm). Ich kam Zuhause an und erspar euch das Szenario beim Wiedersehen unserer Eltern uns Geschwister, die da versammelt waren. Meine Augen erkannten wie im Nebel die Klamotten, die er anhatte und die mein Vater über unsere Hofbank gelegt hatte. Ich suchte nach Spuren darauf, die ich eigentlich nicht sehen wollte. Eigentlich kaum welche vorhanden. Nur an seinem ARAI Helm fehlte oben in der Mitte der schwarze Lack und die weiße Grundierung ist dort angeschliffen. Konnte das alles sein? Vor meinen Augen entwickelt sich der Unfall deutlicher. Ich hatte schon auf der langen Rückfahrt aus Italien an kaum etwas anderes denken können. Permanent machen sich die Gedanken selbständig, entwerfen eine Flugbahn, mit der er glimpflich landen könnte. Natürlich völlig sinnlos diese Gedanken, aber die Gedanken sind außer Kontrolle. Wir fahren zum Friedhof. Der Bestatter versichert uns, daß er fast keine Verletzungen am Körper gesehen hat. Ich betrete die Halle und zögere. Alles sträubt sich in mir. Ich blicke nur für kurze Momente auf und habe Angst ihn zu sehen. Da links die Tür in den Kühlraum. Vor mir liegt er im Sarg. Beim Anblick schnürt es mir die Kehle zu. So sieht ein Toter aus, der vor Kurzem noch vor Leben gestrotzt hat. Sein Gesicht sieht irgendwie anders aus. Man erzählt mir, daß er 'aufbereitet' wurde, weil der Zerfall so schnell sichtbar ist. Ich fasse seine Hand an. Die Finger erstarrt und eiskalt, unter den Nägeln blau. Ich möchte ihn an mich drücken, nur noch einmal lebend umarmen, um sich zu verabschieden. Es geht nicht. Zu grauenhaft, diese Kälte. Mir wird klar, ich werde ihn in meinem gesamten restlichen Leben (ich bin achtunddreißig) nie mehr wiedersehen. In meinen Gedanken sehe ich ihn immer noch, wie er in unsere Wohnung kommt. Sein Gang, die Freude, die Umarmung. Nie mehr. Wir fahren zum Unfallort. Ich zögere erst, man sagt mir, es sei besser für die Verarbeitung, wenn man ein konkretes Bild hat. Nach 30 minütiger Fahrt sehe ich sie, die Rechtskurve. So unscheinbar. Könnte jede beliebige Rechtskurve im Wald sein. Davor orange markiert die Bremsspur. Ihr abruptes Ende. Zehn Meter weiter muß die Maschine wieder Bodenkontakt gahbt haben. Dann der Abflug am Kurvenausgang. Zehn Meter weiter direkt am Fahrbahnrand sieht man den weißen Helmabrieb. Ich hatte mich geirrt, als ich die Bäume verflucht habe. Er hat sich nämlich beim Aufschlag auf der Straße das Genick gebrochen und ist dann noch 20 Meter weiter in den Wald geschleudert worden. Seine ZXR900 flog noch ca. 90 Meter weiter, bevor sie mit noch 80 km/h (laut Gutachten) einschlug und letztendlich 120 Meter weiter an einem Baum lag.
Gestern konnte ich zum ersten Mal wieder schlafen, wenigstens bis 3 Uhr. Sobald ich die Augen schließe sehe ich den Unfall ablaufen und versuche immer noch, ihn im Verlauf abzuändern. Ich selbst bin Rennradfahrer. Auf meinen kommenden Abfahrten wird er wohl immer dabei sein.
ich möchte euch für eure Anteilnahme am Tod meines Bruders von Herzen danken. Ich antworte auf die Frage eines Forum Schreibers, der 'Warum?' fragt. Die simple Antwort lautet: zu schnell gewesen. Der Polizist am Unfallort konnte anhand der Bremsspuren keinen sonstigen Fahrfehler erkennen. Es gab keine Fremdbeteiligung. Ich muß das Folgende loswerden, weil ich denke, daß auf diese Weise noch irgendetwas Nützliches aus dem Geschehenen gezogen werden kann.
Um bei der korrekten Reihenfolge der Geschehnisse zu bleiben: Meinen Bruder, der 26 Jahre alt wurde, habe ich zuletzt letzten Mittwoch gesprochen. Ich war mit meiner neuverheirateten Frau am Gardasee und habe Fugu (er heißt René) abends um 19:30 angerufen, um ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Vielleicht zwei Wochen vorher hatte mir René noch erzählt (zu meiner Erleichterung), daß er seine Maschine vielleicht verkaufen wolle. Es wurde ihm einfach zu gefährlich, er wolle sich den Kick in Zukunft über ein Wakeboard holen. Das würde ihm super Spaß machen und man könne höchstens ins Wasser fallen. Ich wußte an jenem Abend nicht, daß ich die letzte Person sein würde, mit der er in seinem Leben gesprochen hat. Ich hab mir das Fußballspiel angesehen (Deutschland-Türkei) und wurde nächsten Morgen vom Telefon geweckt. Der kurze Satz meines Vaters: 'René ist letzten Abend mit dem Motorrad tödlich verunglückt' hat bewirkt, daß ich erstarrt bin vor Ohnmacht und Leid. Man kann kaum noch atmen und im Kopf startet ein Karusell von Gedanken. Wir sind sofort abgereist und über den Gotthard heimgefahren.
An einer Raststätte angehalten hatte ich das Gefühl, daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Die Trauer zieht sämtliche Energie ab. Ich hab sowas noch nie im Leben erlebt. Kein Vergleich zum Tod meines altgewordenen Großvaters. Der kleine Bruder, zu dem ich so einen engen Draht hatte, mit dem ich soviel gelacht hab (The Big Lebowski war unser Kultfilm). Ich kam Zuhause an und erspar euch das Szenario beim Wiedersehen unserer Eltern uns Geschwister, die da versammelt waren. Meine Augen erkannten wie im Nebel die Klamotten, die er anhatte und die mein Vater über unsere Hofbank gelegt hatte. Ich suchte nach Spuren darauf, die ich eigentlich nicht sehen wollte. Eigentlich kaum welche vorhanden. Nur an seinem ARAI Helm fehlte oben in der Mitte der schwarze Lack und die weiße Grundierung ist dort angeschliffen. Konnte das alles sein? Vor meinen Augen entwickelt sich der Unfall deutlicher. Ich hatte schon auf der langen Rückfahrt aus Italien an kaum etwas anderes denken können. Permanent machen sich die Gedanken selbständig, entwerfen eine Flugbahn, mit der er glimpflich landen könnte. Natürlich völlig sinnlos diese Gedanken, aber die Gedanken sind außer Kontrolle. Wir fahren zum Friedhof. Der Bestatter versichert uns, daß er fast keine Verletzungen am Körper gesehen hat. Ich betrete die Halle und zögere. Alles sträubt sich in mir. Ich blicke nur für kurze Momente auf und habe Angst ihn zu sehen. Da links die Tür in den Kühlraum. Vor mir liegt er im Sarg. Beim Anblick schnürt es mir die Kehle zu. So sieht ein Toter aus, der vor Kurzem noch vor Leben gestrotzt hat. Sein Gesicht sieht irgendwie anders aus. Man erzählt mir, daß er 'aufbereitet' wurde, weil der Zerfall so schnell sichtbar ist. Ich fasse seine Hand an. Die Finger erstarrt und eiskalt, unter den Nägeln blau. Ich möchte ihn an mich drücken, nur noch einmal lebend umarmen, um sich zu verabschieden. Es geht nicht. Zu grauenhaft, diese Kälte. Mir wird klar, ich werde ihn in meinem gesamten restlichen Leben (ich bin achtunddreißig) nie mehr wiedersehen. In meinen Gedanken sehe ich ihn immer noch, wie er in unsere Wohnung kommt. Sein Gang, die Freude, die Umarmung. Nie mehr. Wir fahren zum Unfallort. Ich zögere erst, man sagt mir, es sei besser für die Verarbeitung, wenn man ein konkretes Bild hat. Nach 30 minütiger Fahrt sehe ich sie, die Rechtskurve. So unscheinbar. Könnte jede beliebige Rechtskurve im Wald sein. Davor orange markiert die Bremsspur. Ihr abruptes Ende. Zehn Meter weiter muß die Maschine wieder Bodenkontakt gahbt haben. Dann der Abflug am Kurvenausgang. Zehn Meter weiter direkt am Fahrbahnrand sieht man den weißen Helmabrieb. Ich hatte mich geirrt, als ich die Bäume verflucht habe. Er hat sich nämlich beim Aufschlag auf der Straße das Genick gebrochen und ist dann noch 20 Meter weiter in den Wald geschleudert worden. Seine ZXR900 flog noch ca. 90 Meter weiter, bevor sie mit noch 80 km/h (laut Gutachten) einschlug und letztendlich 120 Meter weiter an einem Baum lag.
Gestern konnte ich zum ersten Mal wieder schlafen, wenigstens bis 3 Uhr. Sobald ich die Augen schließe sehe ich den Unfall ablaufen und versuche immer noch, ihn im Verlauf abzuändern. Ich selbst bin Rennradfahrer. Auf meinen kommenden Abfahrten wird er wohl immer dabei sein.